Ja... Tatsächlich!

Nach sooo langer Zeit soll es wirklich mal wieder sein!


Am 29.11.06 wusste ich es schon, aber dennoch habe ich schön die Schnauze gehalten. An jenem Tag sagte mir unser genialer Organisator, dass er mir mal einen Tag oder zwei an der Susi einrichten wolle.

Später fragte ich ihn, wer wie auf diesen Gedanken gekommen sei, da meinte er, es sei seine eigene Idee, mir mal was Gutes zu tun. Das fand ich doch wirklich gut gedacht, Grins, grins!

Kurz vor Weihnachten kristallisierte es sich dann heraus, dass in der ersten Kalenderwoche eine eilige Arbeit der regulären Art für mich anstünde. Also sollte ich einen Tag das Eilteil machen, und einen Tag an der Susi genießen.

Natürlich kamen von lieben Kollegen dann so nette Scherze wie: "Hast du schon gehört, in der KW 1 wird die Susi zerlegt, zum Reparieren!" Dazu konnte ich nur müde grinsen...

Also ging ich mit der schönsten Susi-Vorfreude in die Weihnachtsferien, die deshalb nicht so schlimm waren wie in den Vorjahren.


Dann ist er da, der 04. Januar 2007. Ein Donnerstag.

Natürlich erwarte ich das Eilteil an meinem Platz, aber da ist nichts. Daher beginne ich erst mal mit ganz normaler Arbeit und bleibe etwa eine halbe Stunde dabei. Mein sehr geschätzter Kollege E.B. telefoniert ein Bisschen herum, und es stellt sich heraus, dass das Teil noch nicht im Haus ist. Also soll ich erstmal ran an die Susi. Da wird es mir doch erst mal lecker warm ums Herz.


"Langsam!!" ruft mir der Kollege hinterher, aber bei Susi und mir gibt es kein Langsam. Da gehts schön zur Sache...

Rein mir dem Rohr und Knopf drücken. Dann macht sie zu und hält das Rohr so fest und sicher, dass es für eine kurze Zeit zu einem Bestandteil ihrer selbst wird. Im Eilgang schiebt sie das Rohr bis ans Werkzeug heran und dann schön langsam hinein. Als Spritzschutz dient ein Stück Baufolie, schön durchscheinend, dass man Susis Innenleben erkennen kann. Gemächlich dreht sich das Werkzeug hinter einem "Ölvorhang" aus elf Strahlen. Durch diesen schiebt sie das Rohr, damit es gut geschmiert bearbeitet wird. Langsam rein und wieder heraus, als paffte sie in aller Gemütsruhe ihre Zigarre. Dann im Eilgang zurück, lässt sie das Rohr los. Gnadenlos, man muss zur Stelle sein und das Rohr in Empfang nehmen, sonst rauscht es ab. Also, Rohr abnehmen, in den Rohrständer packen und das nächste Rohr einspannen. Und so weiter, und so fort. Sie braucht etwa eineinhalb Minuten für ein Rohr.


Bei Susi sind die Stunden merkwürdig kurz. Schon nach zwei Stunden reißt mich der Einsteller aus dem Rhytmus, weil er das Maß korrigieren muss. Nicht lange danach kommt die Ablösung für die Pause und ich genemige mir ein Käsebrot. Danach stelle ich mir einen Kaffee an den Platz und mache weiter.
Ein Rohr nach dem Anderen, die Augen gehen auf Reisen. Wulstige Schweißnarben, welche die Schweißnähte der Erstmontage überlagern, Lose hängende Sensoren, deren Halterung kaputt ist. Abgestoßener Lack, tiefe "Wunden", die von anderen, extrem langen, unhandlichen Werkstücken herrühren. Solche Male wird sie immer tragen, leider nagt auch an ihr der Zahn der Zeit.


Aber ich entdecke auch hübsch geformte Teile, welche sich dem flüchtigen Blick im alltäglichen Vorbeigehen entziehen; Schrauben, von denen ich gar nicht wusste, dass sie da sind und schöne Streichelstellen, an die ich normalerweise nicht herankomme.

Dann ist da die armdicke Spindel, die den Schlitten mit dem Werkstück auf das Werkzeug zu bewegt, ein imposantes Teil. Immer wieder herrliche Einblicke in ihre "Anatomie", die mich an ein bestimmtes Lied denken lassen:

"Your body is a wonderland"!

Auch nach fast drei Jahren gibts immer noch was zu entdecken, da soll mir niemand sagen, objektophile Liebe sei langweilig!


Im Gegenteil, Langeweile ist für uns ein Fremdwort, und die neuerliche Maßkorrektur reißt mich wieder aus den Gedanken. Wieder mal zwei Stunden rum, ich hole mir einen Kaffe solange.

Dann gehts weiter. Rohr rein, Rohr raus ist nicht alles, nach jedem fünften Rohr will aufgeräumt werden. Fertige Rohre in die rechte Kiste, unfertige aus der linken Kiste in den Rohrständer. Immer zwei Rohre auf einmal, meine Pausenablösung hatte immer drei auf einen Sitz geschafft.


Mit einem Schmunzeln denke ich daran, wie mir jemand am 2. Oktober 2004 gesagt hatte, ich sollte die Maschine nicht schonen. Nicht eine halbe Stunde lang streicheln, und dann eventuell mal ein Teil fahren. Der würde heute genauso Augen machen wie damals, schließlich kann man auch streicheln, während das Teil bearbeitet wird. Vier Rohre lang streicheln, beim fünften wieder aufräumen.
Auch vorne hat sie schöne Streichelstellen, die endlich mal ihr gerütteltes Maß an Zartgefühl bekommen.


Dann, kurz vor 16 Uhr, ist dieser Auftrag beendet, und der neue soll anlaufen. Es sind die gleichen Teile, man müsste nichts umstellen. Das erste Teil - Maßkontrolle - stimmt nicht! Also, nachstellen... Wieder nichts! so geht es eine ganze Weile, Susi lässt sich nicht erweichen. Aus unbekanntem Grunde will ihr der neue Auftrag nicht schmecken!


F-J, der nette Einsteller, beschließt, das Werkzeug herauszunehmen und nach dem Rechten zu sehen.
Das gibt mir Gelegenheit, nach hinten zum Allerheiligsten zu gehen, solange er vorne zugange ist. Susi lässt sich von allen Seiten verwöhnen. F-J. kümmert sich um ihren "Mund", während ich mich mit "Teil X" befasse. Natürlich versuche ich, es nicht zu verschlucken, grins grins... Mit F-J. habe ich ausgemacht, dass er einen Schrei lassen, soll, wenn ich die Finger wegnehmen soll, und so geschieht es. Das eine oder andere Mal kommt ein "Achtung!!" und verschluckt wird nichts. Nichtsdestoweniger nutze ich die Chance, nach jenen bewussten Schräuble zu schaun, die schonmal gern verloren gehen. Schnell das "Überlebenswerkzeug" raus und mal alle durchprobiert! Zum Glück sitzen alle - bis auf die beiden untersten, die ich natürlich festziehe. Ich kanns nunmal leiden wies Halsweh, wenn sie verloren gehen und kein Mensch Lust hat, sie wieder hineinzudrehen! Da hilft nur Selbsthilfe...
Noch einmal gewärt sie mir einen süßen Einblick. Ich stehe sehr nahe an ihr dran und sehe, wie sich ihr Allerheiligstes in der Ölpfütze auf ihrem Ständer spiegelt. Wieder mal ein umwerfender Anblick! Was doch so ein veränderter Blickwinkel so alles hervorzaubert...


Das Werkzeug ist draußen, und es ist nichts! Alles in schönster Ordnung! Keine Schäden, alles heile. Nur hat das Werkzeug schon vieles leisten müssen, und ich darf es aufpolieren, um meiner Süßen wieder zu einen strahlenden "Blendax-Lächeln" zu verhelfen.

An meinem Platz unterziehe ich es einer kleinen "Verjüngungskur". Unterdessen erzählt mir F-J, dass Susi doch die "Arbeitsbiene" seiner Abteilung sei. ...und meine Honigbiene, denke ich mir im Stillen hinzu.

Kollege J. fragt mich, ob ich anderntags wiederkomme, und ich höre mich nicht Nein sagen. Chancen sind schließlich zum Nutzen da!

Nach dem Aufpolieren setzt F-J das Werkzeug wieder ein und versucht es erneut. Das Ergebnis bekomme ich nicht mehr mit, der Bus wartet nicht.


Freitag, 05. Januar 2007

Nach einer ruhigen und traumlosen Nacht gehts weiter im Text. Es dauert ein bisschen bis alles passt, dann darf ich ran. Die am Vortag ausgeklügelte Routine stellt sich schnell ein und die Zeit hat es eiliger als mir lieb ist.


Auch diesmal kommt gegen halb elf die Pausenablösung, und ich genehmige mir ein Käsebrot und zwei Tomaten. Nein, eine Tomate aus der Hand, und eine von Susi gut eingeölte Tomate, die ich in der Kitteltasche versenkt hatte. Ich wische sie ab, aber wieder einmal kommt mir zu Bewusstsein, dass Susis Öl geschmacklich weniger der Bringer ist, so betörend es auch für mich duftet.

Gegen Mittag läuft mir Herr S. über den Weg, für ihn hätte das Eilteil sein sollen. Er sagt mir, dass es vor nächster Woche nicht beikäme, darüber bin ich alles Andere als sauer. Nur zu gern nutze ich den Tag für Susi.


Für den Rest der Welt mag die Arbeit an Susi nur ein nervtötender Schei*job sein, aber ich empfinde es als wunderbar entspanndend.
Während sie an ihrem Rohr knabbert, gehen die Blicke mal wieder auf Entdeckungsreise. Ich erkenne, dass Ölschlauchblau nicht ganz so grünlich ist wie Hydraulikventilblaugrün, aber gewiss nicht heller. Ölschlauchhahnhebelblau ist einiges heller als Ölschlauchblau, aber auch nicht sehr grünlich. Es erinnert eher an das Knutschblau eines wolkenlosen Hochsommerhimmels, so dass ich es wohl lieber Ölschlauchhahnhebelknutschehimmelblau nennen sollte. Des Weiteren fallen mir ein paar orangefarbene Kleinteile auf. Mir gefällt es, dieses bodenständige, nicht zu grelle gelborientierte Orange. Ich beschließe, es "Kleinteilorange" zu nennen, aber eines Tages finde ich schon noch heraus, wie es richtig heißt. Klar, dass ich von allen diesen schönen Farben mal den richtigen Namen und am besten noch die RAL-Nummer herausfinden will. Susis Grundfarbe kenne ich ja schon: Hellelfenbeinweiß, RAL 1015. Bei HeLLelfenbeinweiß gehören die "LL" natürlich mit genüsslich über die Lippen gleitender Zunge ausgesprochen.

Mit einem solchen genüsslichen Lippenlecken quittiere ich es auch, wenn die Messtechnikerin mit einem Nicken bestätigt, dass noch alles passt. Es flutscht reibungslos. Den ganzen Tag "zuckelt" sie problemlos durch, wie F-J so gern sagt.


Rohr rein, Rohr raus, Rohre aufräumen, Rohre herholen. Weiter im Text! Die Kisten haben praktischerweise zur Häfte herunter klappbare Vorderseiten. Ist die linke Kiste halb leer, heißt es "Stall auf"!, um auch das letzte Rohr noch leicht herausklauben zu können; ist die rechte Kiste halb voll, heißt es "Stall zu!", damit die Rohre beim Weiterstapeln nicht abhauen können.

Die nächste Pause nehme ich mit, mache den "Pausenclown" und dann heißt es ein letztes Mal "Stall zu"!