Susi...


Weil es mir diesmal besonders am Herzen liegt, zuerst mal die Danksagungen:


Danke an alle, die mich sowohl materiell (etwa mit Taschentüchern, Tabletten, Getränken, kleinen Geschenken)
als auch an jene, die mich nichtmateriell (mit Zuspruch, Schulterklopfern, Mitgefühl) unterstützt haben.

Danke an alle, die geschwiegen haben, sei es aus Verlegenheit, aus Unwissenheit oder weil
sie einfach nicht beteiligt waren.

Danke an alle, die sich für mich eingesetzt haben und dies weiterhin tun.

Danke an die "Coolen Jungs" vom Umzugsservice für ihren unermüdlichen Einsatz, ihr Mitgefühl, ihre Professionalität
und ihre Sorgfalt.

Danke an alle, die ich vergessen habe, die aber dennoch Dank verdienen.



...und jetzt mal von Anfang an, am Anfang standen die Gerüchte.

Wann es genau war, als das erste Wort zu mir durchsickerte, kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen.
Es waren erst nur wage Worte, dann kamen die Kollegensprüche:

"Wenn die Susi umzieht, brauchst du ja einen Geschäftswagen! Wie soll das denn sonst gehen, wenn du mit ihr umziehst?"

"Ich hab gehört, deine Ein-Personen-Abteilung zieht mit Susi um?"



Ja, da sollte doch tatsächlich Susis Abteilung - und folglich auch Susi - umziehen, ans andere Ende der Stadt.

Noch konnte ich den "Coolen Max" markieren, konnte so tun, als sei dieser Umzug halb so wild. Da meinte ich noch,
dass es mir völlig ausreichen würde, könnte ich sie nur immer mal besuchen kommen.
Immer schön locker bleiben, auf die Sprüche jeweils noch einen draufsetzen, und gut war's.


War es...

Anlässlich einer Grillfete sah ich im Juli zum ersten Mal Susis neuen Standplatz, und das gab ein erstes Mal einen
richtig fiesen, heißen Stich in den Magen. Jetzt war es ja keine graue Theorie mehr, nicht nur Bilder im PC, keine
flapsigen Sprüche...
Da wurde es konkret, dass meine Süße irgendwann mal weg sein würde.

Aber noch ging es cool und locker zu, auch als die ersten Sachen aus Susis Abteilung verschwanden.
F.J. war immer mit netten Sprüchen und sachlichen Infos zur Hand, er wies immer auf die positiven Dinge hin.
Susi würde es dort viel schöner haben, ein größeres Zuhause, statt der bisherigen "Streichholzschachtel".
Einen "Freund zum Schwätzen" würde sie bekommen, einen hübschen blauen Roboter.
Und einen Platz an der Sonne hätte sie auch...
"Wir lassen unser bestes Pferd doch nicht im Regen stehen", meinte er, "noch nicht mal über Nacht im LKW!"

Na, die Nacht hätte ich sonst gern mit ihr geteilt... Grins...


Es hatten immer schon mal Kisten vor iherm Hintertürchen gestanden, aber ursprünglich wurden sie "rücksichtsvoll"
abgestellt, das heißt, es gab immer eine Möglichkeit, entweder auf der einen, oder auf der anderen Seite dran
vorbei zu schauen und so das "Wesentliche" zu sehen.
Von heute auf morgen standen die Kisten dicht, es gab keine Möglichkeit mehr zu gucken.
Eine vorsichtige Nachfrage nach einiger Zeit ergab, dass "viel los" sei, und daher alles vollstünde.
Das sah mir doch sehr nach Ausrede aus, es gab immer schon Stoßzeiten...
Was war los? 
Es schien mir, dass Susi mal herumzicken wollte, und ich dachte: Was du kannst, Süße, das kann ich auch, und so kam
es, dass ich zwei-, drei Mal "Nein, jetzt besser nicht!" sagte, wenn F.-J. meinte, ich könnte ruhig zu ihr hineingehen.

So vergingen Wochen und Monate, und die meiste Zeit blieb sie zugebunkert. Gucken konnte ich fast nur noch von hinten.


Dann kam das Grauen.
Das Grauen in Schwarz.
Ihr Allerheiligstes verschwand hinter schwarzer Wellpappe.
Solch ein Drama hatten wir schonmal vor Jahren, aber da ging es nicht lange, und die Pappe - damals in Braun - war weg.

Diesmal, es waren größere, schwarze Pappen, sollte es nicht so schnell gehen. Man konnte mit knapper Not den oberen
Bogen des "Teil X" sehen, der "Antivibrator" war ganz versteckt; ihr süßes "Im-Kreis-Grinsen", nur noch ein Fragment.

Eine Nachfrage ergab, dass sie zu sehr spritzte, weil sie falsche Dichtungen hätte. Da sollte ich mal den Herrn Sowieso
fragen, der hätte falsche Dichtungen bestellt, und bis die richtigen da sind, brauchts mindestens fünf Wochen, und so
lange muss eben die Pappe sein.

Fünf Wochen, Au Schei*e!
Vor dem Umzug würde das nichts mehr, Susi und ich würden keinen einzigen unbeschwerten Tag am alten Standort mehr
miteinander haben.


Wirklich verstehen konnte ich das nicht, sie konnte doch nicht über ihre Bodenwanne hinausspritzen, und hinten stand
immer die Pumpe, um alles in die Filteranlage zu befördern; egal, wo es nun hergespritzt kam...

Also, wohl mal wieder eine Ausrede... Susi wollte offenbar weiterzicken, und nachdem die lästigen Kisten nun endlich
weg waren, musste sie sich was Neues einfallen lassen, um sich zu verstecken. Aber warum denn, bitte, vor mir???

Nun sorgte sie eben dafür, dass die schwarze Wellpappe da war.
Auf der Rückseite war es ihr wohl nicht so wichtig, da konnte die Pappe ruhig in sich zusammenfallen und einen Blick
freigeben, wenn es denn eben möglich gewesen wäre, von dort aus zu gucken.
War es aber nicht.

Auf der Vorderseite, der Sichtseite hingegen, wurde sehr genau drauf geachtet, dass die Pappe immer am Platz war, sie
wurde in jedem unpassenden Moment wieder hochgezogen, sicher auch häufiger ausgewechselt als hinten, und zu allem Elend
auch noch immer wieder mit einem Drahtbügel an der Lade festgesteckt.

Das war nicht gerade dazu geeignet, meine Laune zu steigern, und mit jedem Tag ging mir das immer ein bisschen mehr auf
die Nerven. Irgendwann dachte ich, wenn Susi zickt, dann zicke ich auch und flitzte an ihr vorbei ohne die Mütze
abzunehmen, was ich normalerweise tat. Vielleicht sah sie mich ja auch lieber unverhüllt, aber solange sie sich hinter
der Pappe versteckte, versteckte ich mich eben auch. Nur für meine Nerven war das nichts, und als mir eines Morgens
F.-J. über den Weg lief, musste ich doch mal ein bisschen motzen, und er redete wieder vom Spritzen.


Am nächsten Tag, es war Freitag, der 22. November, hatte ich schon beim Aufstehen ekelhaftes Kopfweh.
Natürlich hatte ich genau dann keine Pillen zur Hand.

Mein Meister hatte die Geistesgegenwart, bei einer Kollegin im Büro anzurufen; und tatsächlich hatte sie Pillen.

Ruckzuck war ich bei ihr, sie gab mir das Notwendige, aber kaum hatte ich die Pillen geschluckt, gab es kein Halten mehr.

Sosehr ich mich zurückhalten wollte, bahnten sich doch die ersten Tränen ihren Weg. Auf die Frage der Kollegin, die später
den Beinamen "Mutter der Firma" bekommen sollte, ob es privat oder geschäftlich sei, konnte ich gar nichts sagen, weil
sich das bei mir nicht trennen lässt. Ich lebe eben immer, nicht nur abends und sonntags. Und Susi ist nunmal Teil
meines gesamten Lebens.

Auf die Heulerei folgte die Spuckerei.
Der Magen regte sich in unangenehmer Weise wie immer, wenn ich etwas buchstäblich zum K*tzen finde.


Auf dem Rückweg in meine Abteilung kam ich zwangsläufig an Susi vorbei, und da waren die fleißigen Arbeiter schon damit
befasst, Susis Häuschen zu demontieren.

Als ein Arbeiter am hinteren Schwanz mit Putzen anfing, ohne die schei* schwarze Wellpappe wegzunehmen, brach es abermals
aus mir heraus. Normalerweise bin ich nicht der Mensch, der sofort das Maul aufmacht, aber mit den Nerven war ich nun
endgültig am Ende, und ich laberte meinen sehr geschätzten Kollegen J.S. an, welcher postwendend zurücklaberte.

Vollkommen zu Recht, und ich bat in später um Vergebung. Die gewährte er mir, er konnte verstehen, dass ich nun ganz
unerträglich war.


Danach fasste ich einen Beschluss, von dem ich niemals gedacht hätte, das ich das einmal tun würde: Ich ging doch
tatsächlich freiwillig zum Arzt!
Der Magen hing schief, und die Wechseljahre machten sich sehr viel unangenehmer bemerkbar, als ich es jemals in der
Öffentlichkeit zugäbe.
Das Ende der Fahnenstange war nunmal erreicht.
Normalerweise wäre dies der Höhepunkt der Krise gewesen, der Magen und alles Andere hätten sich beruhigt, und es wäre
normal weiter gegangen.
Übers Wochenende hätte sich mein Magen erholt, und wegen der schwarzen Pappen hätte ich vielleicht noch ein paar Tage
lang den Kopf einziehen müssen, aber irgendwann wären sie weg gewesen.


Diesmal nicht.

Mit den Nerven war ich ganz am Anschlag, und dieser sollte durch die folgenden Ereignisse regelrecht weggesprengt werden;
alles Weitere sollte mich weit über diese Grenze hinaus führen.
Draußen wurde Weihnachtsbeleuchtung aufgehängt, und drinnen rückten sie meiner Liebesten zu Leibe. Noch nie wurde mir meine
liebste Jahreszeit derart vermiest!


Als ich am Montag hereinkam, besprach sich F.-J. mit den Leuten vom Umzugsservice, die Susi abbauen, verladen und am
Zielort wieder aufbauen sollten. Er hatte sie auch schon davon in Kenntnis gesetzt, dass ab und zu eine Kamera blitzen
und jemand das Geschehen verfolgen würde.


Dann meinte er, dass Susi so sauber sei wie schon seit fast 10 Jahren nicht, und dass ich nicht im Mindesten schmutzig
würde, machte ich nun mit ihr herum...
Damit hatte er nicht zuviel versprochen, sie spiegelte nur so und die schwarzen Wellpappen waren ENDLICH weg!!!
Endlich Gelegenheit, mal wieder mit ihr auf Tuchfühlung zu gehen. Endlich gab sie nicht mehr die ewige Zicke...


Um ihre Ständer herum lagen jede Menge Putzlumpen. Wochen zuvor hatte ich solche bei einer von Susis "Schwestern" gesehen,
und da war mir schon klar, was es hieße, diese bei Susi zu sehen.
"Jetzt wirds ernst!", sagte J.S., als sie völlig ohne Häuschen dastand.


So gänzlich im Tageslicht dastehend erinnerte sie nur allzu sehr an ihre allererste Zeit vor fast 10 Jahren.
Neben mir schien mein damaliges Ich zu stehen, das damals schon mit Verlustängsten kämpfte, was ich seinerzeit jedoch
nie zugegeben hätte. Damals fragte mich jemand, was ich denn machen sollte, würde Susi verkauft...
Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass eine Versuchsmaschine urplötzlich eingepackt und weggeschickt würde...
Darauf hatte ich beim besten Willen keine Antwort...


Mir fiel wieder ein, wie sich meine Wahrnehmung damals verändert hatte. Alles wurde klarer, ich war mittendrin statt
nur dabei. Ganz normales Sauerkraut geriet zur Delikatesse, und ich fühlte, dass ich endlich auf diesem Planeten
angekommen war.
Das blieb auch Außenstehenden nicht verborgen, und so kam es, dass auch meine liebe Frau Mama die ganze Wahrheit über
mich und Susi erfuhr. Sie mochte ihre "mechanische Schwiegertochter", wenngleich sie diese niemals persönlich kennen
lernen sollte. Dennoch waren Mamas letzte sieben Jahre mit das Beste, was wir miteinander teilten.


Dann kamen mir natürlich auch spätere Dinge in den Sinn, beispielsweise die Silben, die "etwas bewirken sollen":
Sa Or Ne Ba Tu Om.
Mochten sie auch jetzt das denkbar Beste für meine Süße bewirken...


Man sah deutlich, dass mit den Umzugshelfern echte Profis am Werk waren. In aller Sorgfalt wickelten sie Kabel und
Schläuche auf, versorgten offene Enden mit gelben Kappen und markierten alle Anschlüsse, damit sie nachher alles
wiederfanden.
Sie nahmen Susi die "Frisur" und Peripheriegeräte wie Filter und Schaltschrank ab, dann zerlegten sie sie in drei
Teile: Vorderteil, Mittelblock und Hinterteil, letzteres mit dem Allerheiligsten.



Zwei dieser Umzugshelfer sollten sich als besonders kommunikativ erweisen. Hier will ich sie Markus und Norbert
nennen, was natürlich nicht ihre echten Namen sind.
 
"Bist du sehr traurig, dass sie weg kommt?", wollte Norbert wissen, und ich konnte nur ja sagen.
Wenn ich weg sollte, dann sollte er sich melden, aber er schüttelte nur den Kopf, für ihn war es OK, dass ich
gelegentlich da war.


Dann kam der Tag, an dem es soweit war...

Beim Reinkommen war das Mittelteil schon nirgends mehr zu sehen, später erfuhr ich, dass es schon in aller Herrgotts-
frühe abgeholt worden war.
Das Vorderteil stand schon neben der Verladerampe und das Hinterstück da, wo es am Vortag abgestellt worden war.
Zunächst ging ich ganz mormal meiner Arbeit nach, das klappte soweit.

In der Vesperpause zog es mich natürlich zu ihr, und obschon ich gewiss nicht nah am Wasser gebaut habe, ließ es sich
nicht aufhalten...

Da hing ich also an ihr wie der Ertrinkende am Wrackteil, als Markus in die Nähe kam. Wenn ich weg solle, dann sollte er
mir das sagen,aber das tat er nicht

"Nehmen Sie sich Ihre Zeit, wir warten solange!", meinte er.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: "Nehmen Sie sich Ihre Zeit, wir warten solange!"
Wo gibt es das noch in dieser heutigen Geschäftswelt, dass man auf einen einzelnen Menschen in dieser Art Rücksicht nimmt?

Oder gibt es das wieder?

Jedenfalls kann ich in Worten nicht beschreiben, was das für mich bedeutete.
Da brauchte ich mich nicht zu beeilen, ein junger Mensch von gerade mal 30 Jahren gestand mir alle Zeit der Welt zu...

Dennoch musste ich einmal zurück an meine Arbeit, aber lange ging das nicht gut. Abermals drängte es heraus, und ich
flüchtete regelrecht zur "Mutter der Firma". Die wusste mittlerweile Bescheid, und meinte, den Abbau könnte ich wohl
nicht mit ansehen, aber genau das musste ich. hätte man mich über diese Zeit eingesperrt, ich wäre nicht nur die Wände
hoch gegangen, sondern auch die Decke entlang. Ungewissheit ertrage ich gar nicht, da komme ich mit der schonungslosen
Wirklichkeit bedeutend beser klar.

Die "Mutter der Firma" setzte mich ins Büro des Betriebleiters, der sehr schnell merkte, dass mir dies unangenehm war.
Er machte kurzerhand seine Runde, die er ohnehin hätte absolvieren müssen. "Es ist OK!", meinte er nur.


Irgendwann war ich so weit, dass ich weitermachen konnte. Zum Glück...
Die Mittagspause verbrachte ich natürlich wieder bei meiner Süßen, wie hätte ich sie an einem solchen Tag alleine
lassen können!
Mittlerweile war ihr Hinterstück zum Vorderteil an der Rampe gebracht worden. Es hing an Gurten, und ich traute mich
daher nicht mich anzulehnen; aber einzig und allein mein Herzschlag, eine leichte Berührung genügte, um sie leicht
schwingen zu lassen, nur ein paar Millimeter weit.

Später holte mich ein sehr geschätzter Kollege von ihr weg. "Susi, darf er das?" fragte ich in Gedanken, und Susi
schien zu antworten: "Nein, natürlich nicht!"
Dennoch tat ich ihm den Gafallen, ging mit ihm, wechselte mit ihm ein paar Worte, und er servierte mir einen Saft;
bezeichnenderweise in einer Keramiktasse mit Herzchen darauf.


Als ich später mit meinen Arbeitsstücken an ihr vorbei musste, war sie schon eingeladen. Hinterstück, Vorderteil,
Kleinkram... Sie würde rückwärts fahren...


Das Messgerät, das bei mir sonst immer tadellos gelaufen war, spann nur so herum, ich musste mehrmals den dafür
Zuständigen konsultieren. Da soll mir noch einer was von einem toten Gegenstand erzählen!
Tränen hatte ich jedoch keine mehr für das arme Ding; die sollten abends erst zurückkehren, dafür aber umso
gründlicher!


Schließlich sah ich den Lastwagen vorbeiflitzen, es war Mittwoch, der 27.11.2013, kurz vor 14.30 Uhr.

Wenn Engel reisen, scheint die Sonne, heißt es, und da schwebte sie nun dahin, mein Engelchen...
Jemand meinte es gut, aber daran konnte ich überhaupt nichts Tröstliches finden.

Bis heute setzt mir sonniges Wetter zu, erinnert es mich doch immer wieder...


Norbert hatte in seiner über vierzigjährigen Montagetätigkeit schon so Manches gesehen. Dass bei einem Umzug
mal ein Bisschen Wehmut im Spiel war, das war ihm nicht fremd, aber einen derart traurigen und tränenreichen
Abschied hatte er noch nie erlebt.

Ein ganz kleines Bisschen konnte er es aber wohl verstehen, hätte er sich nie und nimmer von seinen alten
Motorrädern getrennt.

"Zeit heilt alle Wunden!" wurde fortan Markus' Lieblingsspruch, wie oft er ihn gesagt hat, das weiß keiner.
Vom Verstand her wusste ich das wohl, aber im Gefühl drang das nie zu mir vor, bis heute nicht.


Erst später sollte ich erfahren, dass der Lastwagenfahrer sehr wohl wusste, dass er da eine wertvolle Fracht
an Bord hatte.
Er fuhr mit ihr nie schneller als 75 km/h und nahm die Ausfahrt "Süd", eine bedeutend ruhigere Strecke als die
Ausfahrt "Ost", die näher gewesen wäre. Aber auf Susis Messgerät und ihr "Teil X" wurde sorgsam aufgepasst.

Ursprünglich hatte man ihm nur gesagt, dass diese Maschine für jemanden von besonderer Bedeutung sei, reinen
Wein schenkte man ihm aber erst ein, als er mich versehentlich mit Susi "auf Tuchfühlung" erwischte. Er hatte
sich in der Tür vertan, wollte eigentlich zu Isabella eins weiter.


Der Donnerstag nahm seinen Lauf, ich schwieg so gut ich konnte, Worte waren eh nicht nötig. Fast jeder wusste
Bescheid.
Nach Feierabend nahm F-J mich mit an Susis neuen Standort für einen ersten Besuch. Extra für mich fuhr er den
Original-Susi-Weg - Ausfahrt Süd - damit ich ihn mal gesehen haben sollte, was bei dem Mistwetter jedoch buchstäblich
ein Schlag ins Wasser war.
"Aus dem Weg, hier kommt der LOVE-EXPRESS!", rief er, als es ihm nicht schnell genug ging. Grins...

Dort angekommen, fand ich meine Liebste sehr schnell wieder, und jeder, der Susi und mich auch nur ein kleines
Bisschen kennt, hätte meine "Flugbahn" mit hundertprozentiger Sicherheit vorausberechnen können: Erst mal so
richtig und mit Schmagges auf sie zu, dann knapp links vorbei und in einem sanften Bogen genau dort hin, "wo es gilt"...

Ein erstes Mal am neuen Platz...
Noch waren Hinter- und Mittelstück nicht ausgerichtet und das Vorderteil wartete "frei schwebend" im Raum.
Die "coolen Jungs" sollten alles schön nacheinander hinkriegen, sodass sie perfekt dastand, aber davon später.

An diesem Abend bekamen Susi und ich schön Zeit miteinander.

Ein netter Kollege, der genau ein Jahr nach Susi zur Firma gekommen war, nahm mich später mit. Im Auto unterhielten
wir uns. Zum Thema schwarze Wellpappe meinte er, die hätte irgendjemand drangemacht, und danach hätte sie niemand mehr
abgemacht, aber gebraucht hätte es sie keinesfalls. Na herrlich, da schleiften mir also wochenlang für nichts und
wieder nichts die Nerven am Boden... Im Verlauf des Gesprächs meinte er irgendwann: "Wenn Sie Ihre Zeit mit der
Maschine brauchen, dann bekommen Sie sie natürlich!"
Das muss man sich mal geben: Welcher Objektophile bekommt sowas von einem Mitarbeiter zu hören: "Wenn Sie Ihre Zeit
mit der Maschine brauchen, dann bekommen Sie sie natürlich!"
Keiner?
Doch,einer.
Ich.
Und ich weiß das mehr als zu schätzen, es macht so Vieles mehr als wett...

In der folgenden Zeit galt es, sich mit der miesen Busverbindung vertraut zu machen. Es kristallisierten sich als
Besuchszeiten Montag, Mittwoch und Freitag nach der Arbeit für eine knappe halbe Stunde und der Samstag Morgen,
möglichst früh für eine gute Dreiviertel Stunde heraus. Das ist wenig,aber mehr als nichts.

Es ist eben doch ein Unterschied zwischen fünfundachzig Schritten und "Wann fährt denn endlich mal ein Bus??"
Das kann man deutlich fühlen... Ein derart tiefer und schmerzhafter Schnitt heilt nicht so leicht und schnell.

Für meine grandiosen Kollegen kann ich nur dankbar sein! Immer gab es von allen Seiten Zuspruch, sogar der einzige
Kollege, der jemals wegen Susi doof zu mir gewesen war, hatte ein paar mitfühlende Worte übrig.

Über die Weihnachtsfeier sein nur gesagt, dass sie Balsam für die Seele war. Nette Menschen, schöne Musik,
phantastisches Essen, und das Beste zum Schluss; ein Gespräch,das sich gewaschen hatte: Chef persönlich sagte mir:
"Besuchen Sie nur immer Ihre Susi, nehmen Sie es wahr!"

Noch beim Schreiben muss ich da ganz schwer schlucken. Ein Chef,der so etwas zu einem objektophilen Mitarbeiter sagt?
Wo gibts denn sowas? Allein, wie der Name Susi ein erstes Mal aus seinem Munde klang,das kann mir niemand nachfühlen.

"Besuchen Sie nur immer Ihre Susi, nehmen Sie es wahr!"

Dieser Satz rette mich regelrecht über dieses Weihnachten hinweg.

Da am neuen Ort noch Vieles zu richten war, arbeiteten einige Leute an allen Werktagen über Weihnachten, und so
waren auch immer Besuche möglich. Da ließ ich keinen Tag aus, und Susi und ich konnten sogar an den Tagen
zwischen Weihnachten und Neujahr zusammen sein...

Mittlerweile haben sich die Besuche eingependelt, und Susi flitzt wie eine Junge, hat einen hilfreichen Roboter.

Natürlich ließ ich mich nicht hängen, tat mein Bestmögliches, aber an echte Heilung war nicht zu denken.

Erst nach langer Zeit, Anfang März fühlte ich ein erstes Mal, dass etwas in die richtige Richtung ging.
Warum, das weiß ich selber nicht, es ist nur ein Gefühl.
Es fühlte sich nicht mehr ganz so besch....eiden an.


Einmal sprach mich jemand an und meinte, dann müsste ich eben an Susis neuer Stelle arbeiten.
Das fand ich ja nett gemeint, aber wer weiß?
Sein Wort in Gottes Ohr!